Eigener Kartoffelanbau und -vermehrung

Es gibt wohl kaum einen zweiten Kartoffelanbauer in Deutschland, der jährlich fast 140 verschiedene Kartoffelsorten und –exoten aus der ganzen Welt auf mehreren Hektar selbst anbaut und vermehrt. Die besondere Herausforderung besteht für uns dabei in der Anpassung der Anbaumethoden an die sehr unterschiedlichen Sorteneigenschaften. Dabei müssen wir z.B. den Reifezeitpunkt (sehr früh reifend bis sehr spät reifend), den natürlichen Stärkegehalt (mehligkochend bis festkochend), die geographische Herkunft (Tageslängen), die Empfindlichkeit gegenüber Pflanzenkrankheiten, die Wasser- und Nährstoffversorgung und nicht zuletzt unsere vogtländischen Boden- und Klimabedingungen beachten. Obgleich wir als studierte Landwirte und Pflanzenzüchter über ein solides Grundwissen verfügen, so sammeln auch wir jedes Jahr neue Erfahrungen, speziell bei den alten historischen Kartoffelsorten.

Abweichend von der heutigen modernen Kartoffelproduktion mit seiner masseorientierten Ertragsoptimierung steht für uns ein völlig anderes Qualitätsmerkmal im Vordergrund: der unverfälschte natürliche Kartoffelgeschmack, so wie ihn unsere Vorfahren kannten und liebten. Dafür nehmen wir die teilweise sehr niedrigen Erträge vieler historischer Kartoffelsorten in Kauf. Darüber hinaus „leisten“ wir uns z.T. sehr arbeits- und kostenaufwendige Anbaumethoden, um die gewünschte Geschmacksvielfalt erzielen zu können. Nachfolgend seien einige beispielhaft genannt:

1.   Fruchtfolge
Um die Population natürlicher, im Boden lebender Kartoffelschaderreger auf ein Minimum zu reduzieren, arbeiten wir innerhalb der Fruchtfolge mit einer Anbaupause von mindestens drei Jahren. Gleichzeitig vollziehen wir damit auch frühere Anbaumethoden nach (3- oder 4-Felder-Wirtschaft). Durch Einbeziehung von Leguminosen in die Fruchtfolge (Leguminosen = Stickstoffbindung) verbessern wir nicht nur die Bodenstruktur, sondern sparen erhebliche Düngungs- oder Pflanzenschutzmaßnahmen.

2.   Düngung
Über das Jahr verteilt schicken wir mehrmals Boden- und Pflanzenproben zur Analyse des Versorgungszustands mit wichtigen Nährstoffen in ein Labor ein. Die danach ausgesprochenen Düngungsempfehlungen beurteilen wir eher kritisch, denn diese basieren auf dem heutigen Ziel der modernen Landwirtschaft, der Ertragsmaximierung. Speziell die Stickstoffversorgung lassen wir oftmals bewusst im Minimum, denn Stickstoff fördert in erster Linie das Massenwachstum und ist für unser vorrangiges Ziel, der Geschmacksoptimierung, eher kontraproduktiv. Trotz des ohnehin niedrigeren Ertragsniveaus vieler alter Kartoffelsorten im Vergleich zu modernen Neuzüchtungen arbeiten wir ähnlich wie manche Winzer zusätzlich noch ertragsreduziert, d.h. die einzelne Kartoffelpflanze investiert ihre Kraft in wenige Knollen. So können wir die geschmacklichen Reize jeder einzelnen Sorte noch besser „herauszukitzeln“. Durch die Einbeziehung von Leguminosen in unserer Fruchtfolge können wir teilweise auf eine mineralische Stickstoffdüngung gänzlich verzichten. Dagegen versuchen wir andere wichtige Nährstoffe wie Phosphor, Kali, Magnesium, Bor und Mangan sowie den ph-Wert immer im Optimum zu halten, da diese für die Qualitätseigenschaften der Knollen von besonderer Bedeutung sind.

3.  Pflanzenschutz
Oft werden wir gefragt, ob wir unsere Kartoffeln biologisch-dynamisch anbauen würden. Entsprechend der strengen Regeln und Kriterien dieser Anbaumethode müssen wir die Frage eindeutig verneinen. Viele der alten historischen Kartoffelsorten weisen im Gegensatz zu modernen, teilweise krankheitsresistenten Neuzüchtungen nur geringe Widerstandsfähigkeiten gegenüber zahlreichen Pflanzenkrankheiten auf. Ohne unsere „Hilfestellung“ mittels ausgewählter Pflanzenschutzmaßnahmen könnten wir uns bei einigen Sorten in machen Jahren auch den letzten Arbeitsgang sparen, und das ist die Ernte. Die Kunst besteht jedoch darin, den Aufwand chemischer Präparate durch andere acker- und pflanzliche Maßnahmen in Abhängigkeit vom jährlich schwankenden Unkraut- und Krankheitsdruck auf das notwendige Minimum zu reduzieren, und dies auch angepasst an die jeweiligen Sorteneigenschaften. Dafür betreiben wir einen enormen manuellen Aufwand, z.B. mit einer fast täglichen Sichtkontrolle über die gesamte Vegetationszeit hinweg (Handselektion kranker Pflanzen, manuelle Unkrautbekämpfung etc.). Unsere Anbau- und Sortenerfahrungen der letzten Jahre in Kombination mit dem inzwischen geschulten Blick sind dabei unverzichtbar geworden!

4.  Bewässerung
Die Wasserversorgung spielt bei Kartoffeln eine sehr wichtige Rolle. Dabei ist nicht nur die Wassermenge entscheidend. Vielmehr kann der Ertrag und vor allem die Knollenqualität durch den richtigen Zeitpunkt der Wassergabe nachhaltig positiv beeinflusst werden! Um uns unabhängiger von jährlich schwankenden Niederschlagsmengen in der Hauptvegetationszeit zu machen sind wir vor einigen Jahren zu einer sehr arbeitsaufwendigen und kostenintensiven, aber hoch effizienten Tröpfchenbewässrung übergegangen. Dazu werden beim Anhäufeln in der Dammkrone sogenannte Tropfschläuche verlegt, die das Wasser tröpfchenweise ganz gezielt an die Pflanzen bringen. Der große Vorteil dieser Methode besteht darin, dass wir jeder einzelnen unserer vielen Kartoffelsorten genau dann Wasser zur Verfügung stellen können, wenn es in Abhängigkeit von den Sorteneigenschaften, dem Entwicklungsstadium und der Witterung benötigt wird! Darüber hinaus können wir den Wassereinsatz durch die geringe Verdunstung im Vergleich zur Oberflächenbewässerung nachhaltig reduzieren.

5.  Handarbeit
Bei vielen alten historischen Kartoffelsorten unterscheiden sich die Knollenformen teilweise gravierend von heutigen modernen Neuzüchtungen (z.B. Fingerkartoffeln, tiefe Augen, kleine Knollen mit Hang zu zahlreichen Verwachsungen etc.). So ist es auch nicht verwunderlich, dass diese Sorten im Zeitalter der Mechanisierung zunehmend in Vergessenheit gerieten, denn sie sind nur unzureichend maschinengängig. Einzelne Sorten unserer Sammlung können wir daher nur von Hand und ohne Einsatz von Maschinen vermehren, und das von der Aussaat über die Ernte und Lagerung bis zur Sortierung. Darüber hinaus werden alle Sorten nach der Ernte grundsätzlich von Hand sortiert. Nur so können wir die von uns angestrebte Knollenqualität für den Verzehr oder den späteren Nachbau erzielen.

6.  Virusfreimachung
Oftmals wird landläufig davon gesprochen, dass Kartoffelsorten durch den ständigen Nachbau „abbauen“ würden, also der Ertrag über die Jahre nachlässt. Hauptursache dafür sind virale Pflanzenerkrankungen, welche vorrangig durch Blattläuse übertragen werden. Ist eine Pflanze einmal mit einem oder mehreren Virusarten infiziert, so gibt sie diese aufgrund der vegetativen Vermehrung über die Knolle unweigerlich auf die nächste Generation weiter. Je höher die Virusbelastungen sind desto größer sind die Ertragsdepressionen. Somit ist es auch nachvollziehbar, dass alte historische Kartoffelsorten, die oftmals mehrere hundert Jahre alt sind, im Pflanzenwuchs eher geschwächt sind und nur geringe Erträge hervorbringen.
Heute gibt es allerdings labormäßige Methoden, welche über Meristem Kulturen diese Virusbelastungen aus den Pflanzen eliminieren können. Die Virusfreimachung ist sozusagen eine exakt temperaturgesteuerte Krankheitstherapie und hat absolut nichts mit genmanipulierten Pflanzen zu tun! Obgleich dieses Verfahren von der ersten Behandlung bis zur feldmäßigen Knollenvermehrung durchaus mehrere Jahre in Anspruch nehmen kann und dadurch sehr kostenintensiv ist, haben wir vor ein paar Jahren in Zusammenarbeit mit einem Dresdner Labor damit begonnen, einzelne Sorten virusfrei zu machen. Unser Ziel ist es Ihnen bei ausgewählten historischen Sorten gesunde und vitale Knollen anbieten zu können, zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht sogar als zertifiziertes Pflanzgut.

7.  Bestimmung Erntezeitpunkt
Sie kennen vielleicht die Situation, dass Sie im Supermarkt festkochende Kartoffeln kaufen, um zu Hause festzustellen, dass diese eher mehlig sind. Das liegt oftmals daran, dass die Knollen in Abhängigkeit von der Anzahl der Sonnenstunden unterschiedliche Mengen an Stärke einlagern. So wie Weintrauben in sonnigen Jahren viel Zucker einlagern speichert die Knolle entsprechend viel Stärke. Um diese witterungsbedingten Schwankungen des Stärkegehalts bei unseren Sorten weitestgehend auszuschließen verfolgen und kontrollieren wir den Reifeprozess mit kontinuierlichen Stärkemessungen und bestimmen danach den Erntetermin. Es kann also vorkommen, dass die Pflanzen einer Sorte noch sehr gut „im Saft stehen“ und eigentlich noch weiter wachsen wollen. Jedoch beenden wir das Wachstum durch Abschlagen des Krautes vorzeitig, sobald die sortentypischen Stärkewerte erreicht sind. Zwei oder drei Wochen später würden wir vielleicht einen höheren Ertrag mit größeren Knollen ernten, jedoch wären dann die Stärkegehalte deutlich zu hoch. Mit dieser Kontrollmaßnahme gelingt es uns recht gut die Qualitätseigenschaften der Sorten unabhängig von Witterungseinflüssen über die Jahre weitestgehend konstant zu halten.

8.  Lagerung
Unmittelbar nach der Ernte werden die Knollen in unser spezielles Kartoffellager eingelagert. Dabei ist zu beachten, dass die Knollen am längsten bei ca. 4°C (kein Frost!) und absoluter Dunkelheit ohne große Qualitätseinbußen überwintern. Diese Bedingungen können wir in nahezu perfekter Art und Weise gewährleisten. Während einzelne Sorten bereits kurz nach der Ernte wieder in Keimstimmung geraten, gibt es andere Sorten, die wir im Frühjahr durch gezieltes Vorkeimen aus ihrem „Winterschlaf“ wecken müssen. Ungeachtet dessen gilt für uns bei der Lagerung der Grundsatz: keimhemmenden Mittel kommen nicht zum Einsatz, das ist ein Tabu!
 
Aus den oben genannten Beispielen wird deutlich, dass wir uns bei unserem angestrebten Ziel, die Geschmacksvielfalt eines unserer Grundnahrungsmittel wie zu Omas Zeiten für einen möglichst breiten Interessentenkreis erlebbar und vor allem genießbar zu machen, oftmals auf alte Anbauverfahren zurück besinnen, ohne dabei auf moderne Errungenschaften gänzlich zu verzichten. Bei der kreativen Anwendung unseres reichen Erfahrungsschatzes aus den vielen Jahren des Kartoffelanbaus in Verbindung mit den Kenntnissen als diplomierte Landwirte und Pflanzenzüchter liegt unsere Stärke wohl darin, die bestehenden Wechselwirkungen zwischen Boden und Pflanze bestmöglich dahingehend auszunutzen, dass nicht der maximale Ertrag im Vordergrund stehen muss, sondern die Qualität! Und das zu einem fairen Preis!