Gündels Kulturstall

05.11.12

Wenn ein Solus einen Petrus schlägt

Bei unseren Weinexkursionen liebäugeln wir immer etwas damit, besondere Weingüter und Weine zu entdecken, die vergleichsweise unbekannt sind, jedoch großen Namen nicht nachstehen. So führte uns unsere diesjährige Weintour ganz in den Süden von Ungarn, nach Villany. Nach einer sehr entspannenden Zugfahrt von Dresden nach Budapest fuhren wir mit einem Mietwagen die letzten 200 km zum südlichsten Weinbaugebiet des Landes.

Unsere erste Station war die Pension vom Tamás Gere, zu dem natürlich auch ein Weingut gehört. Gleich am Abend machten wir uns mit den feurigen Rotweinen bekannt. Einen schöneren Ausklang nach unserer Anreise kann man sich nicht vorstellen. Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen unternahmen wir einen Spaziergang im Ort.

Gegen Mittag hatten wir uns beim wohl berühmtesten Winzer des Weingebietes Villany, Atilla Gere, angemeldet. Das Wetter war schön, sodass wir auf der Terrasse vom Gere Hotel auch einen Hauch der noch wärmenden Herbstsonne genießen konnten. Eine perfekte Atmosphäre, um große Weine zu probieren. Ein junger Sommelier des Hotels erklärte uns die Weine von Attila Gere.

Wir probierten einige gute Weine, bis der Höhepunkt der Verkostung erreicht wurde: einen 2008er Solus. Die Spannung stieg. Wie wird so ein Wein schmecken, der einem Petrus, einer der teuersten Bordeaux`s, die Stirn bieten kann. Das alte Spiel: David gegen Goliath. Im Jahr 2004 nahm Atilla Gere mit seinem Solus an einem internationalen Weinwettbewerb (Austrian Wine Challenge) in Wien teil. Bei einer Blindverkostung erreichte sein 2002er Solus von über 4.000 Rotweinen den 1.Platz! Er ließ die Großen aus Bordeaux wie Chateau Petrus und Latour hinter sich. Es sollte für uns Weinliebhaber eine ganz tolle Erfahrung werden. In großen ausladenden Gläsern ergoss sich ein tiefer, dichter, fast schwarz wirkender Wein. In der Sonne spiegelten sich lila Reflexe im Glas, die noch die Spannung auf diesen edlen Tropfen erhöhten. Die sich im Kelch konzentrierenden Aromen wirkten in der Nase wie duftende frisch geerntete Waldfrüchte. Ein Hauch von Zimt, Nelken und Röstaromen lag in der Luft, die in einem schon vorweihnachtliche Fantasien weckten. Auf der Zunge setzte sich diese genüssliche Erwartung fort, um schließlich am Gaumen seine langanhaltende Vollendung zu finden. Dieses Spiel der Aromen lässt sich vielleicht am besten mit dem Klang eines großen Sinfonieorchesters vergleichen. Die 16 Monate Reife im Barrique schaffen ein perfekt verwobenes Spiel zwischen Frucht- und Röstaromen – ein Feuerwerk für die Sinne und für uns ein unvergessliches Erlebnis.

Am Nachmittag stand noch eine Wanderung durch Villany`s Weinberge auf dem Programm. Durch die warme Herbstsonne wirkte das Laub der Rebstöcke in seiner malerischen bunten Vielfalt. Vereinzelt hingen noch ein paar blau leuchtende Trauben an den Stöcken, die sehr süß schmeckten.

Als weiterer Höhepunkt unserer Weinreise erwies sich ein Aufenthalt im Weingut bei Josef Bock, Winzer des Jahres 1997 und einer der Qualitätspioniere. Bei einer Besichtigung des neu erbauten Weinkellers bewunderten wir das Gewölbe in Ziegelbauweise, bestückt mit ungarischen und französischen Eichenfässern. Das Highlight des Kellers ist ein Verkostungsraum in einer kuppelähnlichen Bauweise mit einer ganz besonderen Akustik. Auch im Weingut Bock konnten wir tolle Rotweine verkosten. Besonders gut gefielen uns seine Cuvee`s mit solch klangvollen Namen wie Bock`n Roll, Bock Royal oder Capella. In diesen Cuvee`s kommt die Experimentierfreudigkeit des Winzers beim Zusammenspiel der verschiedenen Rotweinsorten zum Ausdruck. Außerdem besuchten wir noch die Weingüter Vylyan und Günzer.

Am Freitag ging es dann wieder zurück nach Budapest. Gemeinsam mit unserem Freund Gabor Turi erlebten wir das Budapester Großstadtfieber und genossen die Budapester Kaffeehauskultur. Darüber hinaus organisierte er für uns noch einen Verkostungstermin in der Budapester Vorstadt Wudersch, wo wir eigentlich kein Weingut vermutet hätten. Szentesi Jozsef lud uns zu einer Verkostung ein, die wir wohl nicht so schnell vergessen werden. Er ist ein Winzer, der sich mit alten längst vergessenen Weinsorten beschäftigt. Ähnlich wie wir mit unseren Kartoffeln ist er ständig auf der Suche nach alten Rebsorten, pflanzt diese in seinem Weinberg und experimentiert mit ihnen. Die so entstandenen Weine sind weitgehend unbekannt, schmecken jedoch vorzüglich. Sogar der bekannte Weinkritiker Stuart Pigott hat ihm schon einen Besuch abgestattet. Es ist schon bemerkenswert, dass ein Mann, der nie eine Winzerlehre absolvierte, in seiner zweiten Lebenshälfte sozusagen autodidaktisch zum Winzer wurde und dann auch noch zu einem Pionier der ungarischen Weinszene aufstieg. Als Quereinsteiger, wie er sich selbst bezeichnet, kann er inzwischen solch klangvollen Namen wie Zoltan Demeter, Jebsi Istwan oder Atilla Gere beim Keltern auf höchstem Niveau die Stirn bieten. So bringt er in der ungarischen Weinwelt einiges durcheinander. Ein Weinrebell, von dem wohl noch einiges zu hören und zu schmecken sein wird…