Gündels Kulturstall

Bauernhof

Direkt vor den Toren der Stadt Reichenbach, inmitten der malerischen Landschaft des Vogtlands, wurde unser Bauernhof im Jahre 1863 von unserem Ururgroßvater August Lust Dietzsch an der „Schwarzen Tafel“ errichtet.

Wir, die Familie Gündel, leben heute in fünfter Generation auf diesem Hof.

August Lust Dietzsch war ein Sohn des sehr angesehenen und im Volksmund noch heute bekannten Edelmanns-Dietzsch. Dieser lebte von 1802 – 1872 in Rotschau. Den Beinamen „Edelmann“ bekam er aus dem Volksmund, da er Besitzer von drei Bauerngehöften sowie zahlreichen Länderein war. Er soll wohl auch ein sehr streitbarer Bauer gewesen sein, denn man sagt ihm nach, dass an ihm eher ein erfolgreicher Advokat verloren gegangen sein soll als dass er ein Bauer war. Die sehr zahlreich geführten Prozesse endeten für ihn meistens erfolgreich.

Auch politisch war er sehr engagiert. So soll er in der Revolutionszeit um 1848 Abgeordneter im Landtag in Dresden gewesen sein. Den weiten Weg dorthin hat er stets mit Pferd oder Kutsche bewältigt.


Von seiner Tätigkeit in Dresden ist folgende Episode überliefert: Infolge oft vorgekommener Ausschreitungen zu Kirmessen trug sich der Landtag allen Ernstes mit der Absicht, diese Feierlichkeit im ganzen Land auf einen einheitlichen Tag festzusetzen. Die Gesetzesvorlage wäre wohl auch durchgebracht worden, wenn der „Edelmanns-Dietzsch“ nicht gewesen wäre. Er meldete sich zu Wort und meinte dazu trocken: „Alles ganz gut und schön, meine Herren! Aber wenn wir die Kirmes wirklich auf einen Tag legen wollen, wo kriegen wir dann ausreichend Musikanten her?“

Dieser Grund war überzeugender als alle langatmigen Beweisführungen, und mochten sie noch so scharfsinnig sein. Die Vielfältigkeit der Kirmessen war jedenfalls gerettet.

Einer seiner Söhne, namens August Lust, schien in seine Fußstapfen zu treten und hatte scheinbar auch die nötige Begabung für ein Studium in Dresden. Aber mitten im Studium ward er von quälendem Kopfschmerz geplagt, sodass er schweren Herzens das Studium wieder aufgeben musste. Der enttäuschte Vater soll später noch oft gesagt haben: „Da habe ich nun an diesen einen Ochsen elf Kühe gewendet.“

August bekam von seinem Vater die „Schwarze Tafel“ in Rotschau zum Bewirtschaften, eine Anhöhe, auf der er das Bauerngut errichtete, in dem wir heute leben. Dass August beim Studium in Dresden einiges von Architektur gehört haben muss, beweist der großzügige Baustil des Herrenhauses. Im Erdgeschoss und im 1.Stock wurden drei Meter hohe Zimmer gebaut, für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlich.

Auch die Wahl des Standorts für das Bauerngehöft konnte besser nicht ausfallen. Ist doch die „Schwarze Tafel“ der höchste Punkt von Rotschau (heute Ortsteil von Reichenbach) und überragt mit seinen 424 m über dem Meeresspiegel das ganze Dorf. Schweift unser Auge nach Süden, erstreckt sich vor uns das herrliche Göltzschtal, eingesäumt von Wäldern und hügeligen Bergen, die das Ganze wie eine Schlucht anmuten lässt.



Verlassen wir den Hof in Richtung alte Staatsstraße, so erblicken wir die monumentale Göltzschtalbrücke, ein Meisterwerk deutscher Architektur und das bekannteste Wahrzeichen des Vogtlandes. In 78m Höhe überspannt die größte Ziegelsteinbrücke der Welt das Göltzschtal auf über 500 m Länge. Sie ist heute ein beliebter Anziehungspunkt zahlreicher Touristen aus aller Welt.


Die alte Staatsstraße in Richtung Göltzschtal, früher eine wichtige Handelstraße von Leipzig nach Nürnberg und weiter in Richtung Italien, ist sehr steil und kurvenreich, sodass wir nur erahnen können, wie gefährlich dieser Weg im unausgebauten Zustand für Fuhrwerke und Kutschen gewesen sein muss. Erschwerend kam hinzu, dass sich links und rechts der Straße sumpfige Stellen befanden, welche heute noch als Überbleibsel in Form von Teichen und Wasserlöchern zu erkennen sind.

Für Kutschen und Pferdefuhrwerke verbarg sich also hinter diesem abschüssigen Weg nach Mühlwand allerhand Gefahrenpotenzial. Aus diesem Grund soll der Überlieferung nach auf dem höchsten Punkt der alten Staatsstraße, also in unmittelbarer Nähe unseres Bauernhofes, eine Warntafel gestanden haben (heute würden wir Verkehrsschild dazu sagen), auf der ein aufgemalter Hemmschuh die Kutscher und Fuhrleute wegen des steilen Straßenabfalls vorwarnen sollte. Mit den Jahren verwitterte die hölzerne Warntafel und der Volksmund sprach von der „Schwarzen Tafel“.

Dass auch eine gewisse Mystik mit der Bezeichnung „Schwarze Tafel“ verbunden ist, rührt aus zahlreichen Begebenheiten her. Im Volksmund geht heute noch die Erzählung um, dass vor etwa 300 Jahren, unweit unseres Bauernguts, talabwärts, die Kutsche einer schwedischen Gräfin mit samt Pferden und ihrem Gefolge im Sumpf versunken sein soll. Seit dieser Zeit steht an dieser Stelle ein Gedenkstein aus Schiefer, in dem fünf Kreuze für die Opfer dieses Unglücks eingeritzt sind.